`Ich habe hier allerlei interessante Notizen über einen Freund Goethes gesammelt, einen unglücklichen Dichter namens Lenz, der zur gleichen Zeit wie er hier lebte und halb verrückt wurde`. Mit diesem kurzen Kommentar bezieht sich Georg Büchner, einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, im Jahr 1835 auf den Dichter Lenz, der zusammen mit Goethe einer der zentralen Schöpfer der literarischen Bewegung Sturm und Drang zu Beginn der 1770er Jahre war. Büchners Hauptquelle ist hauptsächlich der kurze Bericht mit dem Titel Herr L., verfasst von Pastor Oberlin, der Lenz im bergigen Elsass Asyl bot, als der unglückliche Dichter bereits ernsthafte psychische Störungen zu zeigen begann. Büchner verteidigt jedoch seinen 'eigenen' Lenz, indem er dieselbe Geschichte auf völlig andere Weise und aus einer völlig anderen Perspektive erzählt. Büchner nähert sich seinem Thema aus drei Perspektiven: Als politischer Exilant sympathisiert er mit dem verfolgten Lenz, als Schriftsteller orientiert er sich am Schöpfer Lenz, und schließlich interessiert er sich als junger Arzt für den 'psychiatrischen Fall Lenz'. Letzteres ist zugleich der heikelste Ansatz, da der Schöpfer aufgerufen ist, in die problematischste Seite von Lenz einzudringen, nämlich die Manifestation seiner Geisteskrankheit im Jahr 1778. Obwohl das 19. Jahrhundert voller Geschichten und Novellen ist, hat kein anderer entsprechender Text in der deutschen Literatur eine so reiche Bibliographie wie dieser Text. Büchners Lenz ist die Matrix vieler späterer literarischer Texte und psychiatrischer Studien, die sich mit dem Abstieg in den Wahnsinn befassen. [Auszug aus dem Präsentationstext des Verlags oder der Ausgabe]