Im November 1946 veröffentlichte ein Pariser Verlag den Roman eines unbekannten Autors namens Vernon Sullivan, mit der Erläuterung: "aus dem Amerikanischen übersetzt von Boris Vian". "Ich spucke auf eure Gräber" sorgte sofort für einen Skandal und wurde bald zu einem der berühmtesten Bestseller des 20. Jahrhunderts. Dazu trug die erotisch-sadistische Kunst seines "Übersetzers" bei, die von einer puritanischen Gesellschaft eingereichte Klage wegen Beleidigung der öffentlichen Moral und schließlich ein echtes Verbrechen aus Leidenschaft, bei dem der Mörder ein Exemplar des Buches neben dem Körper seiner Geliebten als Unterschrift zurückließ!
Das Thema des Buches ist bekannt: Ein Schwarzer sucht Rache für die Lynchjustiz an seinem Bruder, indem er weiße amerikanische Mädchen vergewaltigt und tötet (sein Bruder wurde zu Unrecht der Vergewaltigung beschuldigt).
Der Ruhm des Buches ist hauptsächlich mit der Fähigkeit des Autors verbunden, verschiedene amerikanische Schreibklischees (wie Thriller oder Groschenromane), filmische Techniken (wie subjektive Kamera) sowie soziale Klischees der amerikanischen Mythologie geschickt einzusetzen: harte Männer, die leicht trinken und töten, die sich in einem Wirbelwind der Handlung mit verführerischen weiblichen Menschenfresserinnen kreuzen. Und all das in einem wilden Rhythmus, der erfolgreich den Beat des Dixieland-Jazz integriert.
Durch diese Entscheidungen behandelt das Buch klugerweise das Thema sozialer Ungerechtigkeit und im weiteren Sinne Selbstjustiz, während es gleichzeitig auf einer zweiten, psychologischen Ebene die unterirdische Verwandtschaft hervorhebt, die den Täter mit dem Opfer verbindet, wenn die Umstände ihrer Begegnung von sozialer Gewalt diktiert werden.

"Ich spucke auf eure Gräber", eines der "wütendsten" und antirassistischsten Bücher, die je geschrieben wurden, ist ein leidenschaftlicher Blues, der sexuelle Fantasie mit tiefster existenzieller Angst verbindet.